In einer Versammlung Neckarsulmer Gewerbetreibender wurde am 29.Mai 1864 der Gewerbeverein Neckarsulm gegründet. Die Gründung erfolgte aus der Notwendigkeit der damaligen Zeit heraus, als ein liberalisiertes Wirtschaftsleben den Umbruch vom Agrarstaat zum Industriestaat einleitete. Es war das Ende der Zünfte; Handel und Handwerk waren ohne Vertretung. Im ganzen Lande wurde die Gründung von Handelskammern und Gewerbevereinen gefordert um die Interessen der Gewerbetreibenden zu vertreten. Der Vereinszweck war „die Hebung und Beförderung des Gewerbes inund um Neckarsulm“. Dies sollte unter anderem geschehen durch die Erforschung des Zustands der einzelnen Branchen, Aufdeckung von Mängeln und Hindernissen und deren Beseitigung, laufende Informationen der Mitglieder, Vorträgen von Sachverständigen , Förderung der beruflichen Bildung und Ausbildung sowie lokalen Gewerbeausstellungen. Diese Aufgabenstellung des Vereins erhielt im Laufe der Jahre, als sich Neckarsulm von einer kleinen Weinbaugemeinde zur Industriestadt entwickelte, immer größere Bedeutung. Diese Industrialisierung, welche durch den im Jahre 1866 erfolgten Bahnanschluß Neckarsulms begünstigt wurde, brachte viele Veränderungen und neue Herausforderungen. Nun waren im Verein auch Vertreter der wichtigsten neuen Industrien vertreten. Auch der Handel erhielt stärkeren Einfluss im Verein.
Bereits in den Jahren 1865 und 1868 wurden die ersten Gewerbeausstellungen mit gutem Erfolg veranstaltet. Um die Jahrhundertwende tat der Verein viel für die Fortbildung seiner Mitglieder und für die Lehrlingsausbildung. In einer Satzungsänderung im Jahre 1906 wurde der Vereinszweck neu definiert. Während es den Gewerbetreibenden in der Anfangsphase um „die Gewerbe in und um Neckarsulm“ gegangen war, sah der Verein nun seine Aufgaben in der „Wahrung und Förderung der gewerblichen Interessen seines Bezirks sowie die Hebung der gewerblichen Verhältnisse des Landes überhaupt“. Die Zusammenarbeit mit den Kammern wurde intensiviert.
In den Jahren des ersten Weltkriegs 1914 – 1918 und danach ließen die Vereinsaktivitäten notgedrungen nach. 1934 musste sich der Gewerbeverein im Zuge der Eingliederung von Vereinen unter die Organisation der NSDAP auflösen.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurden Parteien, Gewerkschaften und Vereine wieder zugelassen.So konnten sich im Jahre 1946 Handwerker und Geschäftsleute von Neckarsulm zusammenfinden, um den Gewerbeverein neu aufleben zu lassen. In den folgenden Jahren des Wiederaufbaus, insbesondere auch der im Krieg weitgehend zerstörten Stadtmitte, erlebte auch der Gewerbeverein einen neuen Aufschwung. Als die Währungsreform am 20.6.1948 kam und die Deutsche Mark eingeführt wurde, war auch die wirtschaftliche Grundlage dafür gelegt. Vom 2. – 10.September 1950 fand auf dem Ausstellungsgelände am Karlsplatz und an der Urbanstraße die erste Industrie-, Handels- und Gewerbeschau statt. Im Oktober 1969 veranstaltet der Verein eine Industrie – Handels – Handwerk – Gartenbau – Ausstellung. 150 Firmen beteiligen sich daran und ein Gang durch die sechs Hallen der Ausstellung im Sulmtal zeigt, was in Neckarsulm und im Unterland geleistet wird. In den folgenden Jahren bis heute fanden weitere Ausstellungen statt: 1980 die “ Motoshow“ in der Ballei und seit 1983 , im dreijährigen Turnus, die Handels- und Gewerbeausstellung „HG“.
Am 1. Advent 1977 wurde erstmals ein „Tag der offenen Tür“ mit gutem Erfolg veranstaltet. Seither finden regelmässig in zeitlichen Abständen, solche Veranstaltungen – später erweitert um verkaufsoffene Sonntage – in Neckarsulm statt.
Mitte August 1987 fand das erste Marktplatzfest, veranstaltet vom Gewerbeverein, der Wirtevereinigung und der Weingärtnergenossenschaft rund um den Löwenbrunnen unter dem Motto “ Gaumenfreuden,Mode und Musik“ statt. An zwei Tagen wurden rund 12000 Besucher gezählt. Auch diese Veranstaltung gehört seither ins jährliche Programm des Vereins.
Ein Bündel weiterer Aktivitäten (wie z.B. Familienabende und Ausflüge, verschiedene Werbeaktionen, insbesondere zu Weihnachten, Empfänge, Vorträge) wurden in den letzten Jahrzehnten entfaltet. Auch bei der Stadtentwicklung wirkten Mitglieder des Gewerbevereins aktiv mit.
Heute wie früher steht der Gewerbeverein zu seinen ihm von der Satzung vorgegeben Zielen. Er erstrebt den Zusammenschluss aller Gewerbetreibenden (Industrie, Handel, Handwerk, freie Berufe) des Ortes zwecks Wahrnehmung und Durchsetzung der Interessen des selbständigen Mittelstandes auf örtlicher Ebene.
©Paul Schmidgall 1999